20 Jahre VDP.GROSSES GEWÄCHS & Vorprobe in Wiesbaden

Alljährlich laden die Winzer des VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) Ende August einen ausgewählten Kreis internationaler Weinfachleute und Journalisten zur Vorprobe der im September auf den Markt kommenden Großen Gewächse.

Dieses Mal gab es zudem einen runden Geburtstag, das VDP.GROSSES GEWÄCHS gibt es seit 20 Jahren. In feierlichem Rahmen wurde der Geburtstag begangen. Den Entstehungsprozess dokumentiert dieser toll gemachte Film: https://www.youtube.com/watch?v=L4HS1Yf_n6Q

Steffen Christmann fasste das so zusammen: „Das Faszinierende, was für uns alle in diesem Prozess Wirklichkeit geworden ist, ist, dass diese Weinberge und Weine wieder zu greifbaren Persönlichkeiten geworden sind, die Jahr für Jahr wiedererkennbare Charakteristiken haben. So ist das, was wir uns am Anfang eher als Theorie überlegt haben, heute real im Glas.“

In seinem Ausblick hat Präsident Steffen Christmann versprochen, die kontinuierliche Qualitätsarbeit des Verbands weiter zu verfolgen. Während das neue Weingesetz leider sehr beliebig ausgefallen ist, wollen die Winzer im VDP noch weiter das Profil ihrer besonderen Lagen schärfen und selbstkritisch prüfen bzw. selektieren, damit nur Lagen, die langfristig Potenzial haben, echte Persönlichkeit zu zeigen, als Großes Gewächs (GG) in den Handel kommen.

Im anschließenden lockeren Teil des Abends konnten wir an 10 Tischen jeweils 2 Jahrgänge der letzten 20 Jahre verkosten, ein amüsantes und genussvolles Speeddating (alle 10 Minuten ein neuer Tisch) mit einigen der großartigsten Weiß- und Rotweine Deutschlands aus 2 Jahrzehnten.

Bei der Vorprobe lag der Schwerpunkt bei den weißen GG’s beim Jahrgang 2021, bei den Rotweinen bei 2020. Wie immer haben einige Winzer auch ältere Weine vorgestellt, die sie jetzt erst auf den Markt bringen wollen.

2020 rot-2021 weiß, das ist ein Traumpaar. Im warmen 2020 konnten die Rotweine bestens reifen, die Tannine sind vorhanden, aber sanft, die Weine haben Kraft und Struktur. Im kühlen und weinbaulich sehr anspruchsvollen 2021 zeigen die Winzer, was sie und ihre Lagen können, ein typischer Jahrgang, bei dem sich schon von Natur aus Spreu und Weizen trennen. Und dank der schönen Säurestruktur ein besonders lagerfähiger Jahrgang mit großem Alterungspotenzial. Leider war die Natur auch bei den Erntemengen streng und hat den Winzern nur kleine Erntemengen erlaubt, d.h. die Weine sind knapp und sicher schnell vergriffen.

Als gesamte und mit fünf Weinen recht umfangreiche Kollektion haben mich die Weine von Clemens Busch begeistert. Oft verkosten sie sich jung eher schwierig und etwas unzugänglich, dieses Mal strahlen sie vor Klarheit.

Philipp Wittmanns Weine zeigen sich wie in den letzten Jahren üblich etwas verschlossen, sie brauchen noch Zeit. Wer es nicht erwarten kann, sollte mit GG Kirchspiel beginnen. Der einst eher mächtige GG Morstein beeindruckt durch fast filigranes Spiel und schon jetzt erkennbare großartige Eleganz.

Auch bei Christmanns spürt man schon seit einiger Zeit den Wandel weg von Kraft und Konzentration hin zu Finesse, subtilem Säurespiel, Mineralität, Salzigkeit. In sich eine stilistisch sehr stimmige Serie und herausragend gut.

Ausgeprägte Lagencharakteristik zeigen die 2021er Weine aus dem Hause Dr. Bürklin-Wolf. Wer gar nicht warten mag, sollte GG Ungeheuer versuchen, aber noch etwas Geduld zahlt sich hier sicher aus, die Weine haben viel Potenzial.

Familie Kühn präsentiert wie gewohnt bewusst mit einem Jahr Verzögerung, sie wollen ihren Weinen mehr Zeit lassen und das ist gut so. Hier war die Herausforderung sicher eher, in einem so warmen Jahr Frische zu bewahren, das ist bestens gelungen. Wieder tragen alle Weine eine unverwechselbar persönliche Handschrift und jahrgangsgemäß sind sie schon sehr zugänglich. GG St. Nikolaus wäre meine Empfehlung für baldigen Genuss.

Moritz Haidles Rieslinge sind knackig erfrischend. Ich würde ihnen noch etwas Zeit lassen. In der Festprobe am Vorabend zeigte ein 2013er Riesling Pulvermächer, was da noch kommt. Seine Lemberger mag ich besonders gerne, sie sind charaktervoll und doch freundlich, was bei dieser Rebsorte ja nicht immer der Fall ist.

Völlig zu Unrecht eher ein Exot im Programm ist der Riesling Stettener Stein von Ludwig Knoll aus Franken. Seidig, mit expressiver Mineralik. Und sein Silvaner überrascht mit einem Mix aus einladender Exotik und strahlender Zitrusfrische. Beide Jahrgang 2020.

Was mir als Bioweinhändler besonders auffiel: In einigen Gebieten, allen voran der Pfalz und Rheinhessen, sind die konventionell ausgebauten Weine inzwischen die Außenseiter. Auch in Baden, Württemberg und im Rheingau ist der Bioanbau auf dem Vormarsch. Ich habe in 2 Tagen fast 280 Weine verkostet. Denn wir beschäftigen uns natürlich auch intensiv mit den Winzern, die gerade in Umstellung sind oder die nun erste Bioweine präsentieren.

Peter Riegel - August 2022

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