Weinlese wie früher

Der Jahrgang 2021 ist in vieler Hinsicht ein besonderer auf dem Corbières Weingut Château la Baronne. Im April (d.h. einen Monat früher als bei uns) machten die südfranzösischen Eisheiligen ihrem Name alle Ehre. Alle in den Tallagen gelegenen Weinstöcke erfroren. Dafür entwickelten sich die Weinberge in den Hanglagen prächtig. Bis Ende Juli ein unachtsamer Autofahrer an der nahegelegenen A 61 mit einer Zigarettenkippe einen verheerenden Waldbrand auslöste. Die Weinberge selbst blieben eher verschont, aber die ganze herrliche Natur an den Hängen der Montagne d’Alaric verbrannte. Durch Rauch und Ruß wurden auch die noch jungen Trauben geschädigt. Zwei Monate später zeigt die Natur nun, was sie kann. Es sprießt wohltuend grün, aber es wird Jahre dauern, bis alle Wunden geheilt sein werden.

Trotzdem kamen wie jedes Jahr die traditionellen Erntehelfer aus Spanien, um die permanent auf La Baronne lebenden portugiesischen Landarbeiterfamilien zu unterstützen. Sie werden mit einem Bus in ihrer Heimat abgeholt und wohnen in den dafür gepflegten Unterkünften direkt auf dem Gut. Anne sorgt für gute Lebensmittel, Jean für den Wein dazu. Die ArbeiterInnen selbst für das Feierabendbier.

Die farbenfrohe und ausgesprochen fröhliche Truppe kommt teils schon in der 2. Generation zur Weinlese. Die meisten betreiben in Spanien selbst eine Landwirtschaft, einige bauen Oliven an. Die reifen so spät, dass sie rechtzeitig zur Ernte wieder zuhause sind. Wenn der Bus nach der Lese die Arbeiterinnen und Arbeiter nach Spanien zurück bringt, fährt kistenweise Wein mit, der unter den aktuellen und ehemaligen Helfern aufgeteilt wird.

Auf La Baronne setzt Jean Lignères zu 100% auf Handlese. Dieses Jahr wird es etwa eine Woche kürzer dauern, bis die gut 90ha Rebberge abgeerntet sein werden. Viele Reben sind hier im qualitativ besonders wertvollen Gobelet erzogen und viele Rebsöcke so alt, dass man ihnen eine Maschinenlese nicht zumuten mag. Den ältesten Weinberg, Pièce de Roche, eine vor 130 Jahren gepflanzte Carignananlage, pflegen die portugiesischen Arbeiter komplett in Handarbeit.

Die verbliebenen Trauben präsentieren sich prächtig und gesund. Ohne die oben erwähnten Schäden wäre 2021 ein nicht nur qualitativ, sondern auch mengenmäßig ganz erfreulicher Jahrgang geworden. So müssen sich Anne und Jean mit den schönen Qualitäten trösten und auf ein gutes Jahr 2022 hoffen, das ihnen die Tanks und Fässer wieder reichlicher füllt.

Im traditionellen, aber mit gepflegten Zementtanks und Edelstahl bestens ausgestatteten Keller experimentiert Jean schon seit mehreren Jahren neben den traditionellen Barriques mit Behältern aus Steinzeug und Ton. Vor den großen Tanks stehen traditionelle Amphoren, in denen weitgehend ganze Trauben lange auf der Schale vergoren werden. In den Barriquegestellen liegen inzwischen mehr Toneier als Eichenbarriques, für Jean hat der Ton vergleichbare Qualität bei der Mikrooxidation bzw. Reifung der Weine, verhält sich aromatisch aber neutraler als das Eichenholz, was den einzelnen Rebsorten mehr Klarheit und Präzision im Ausdruck ihrer Eigenschaften verleiht.

Zur Zeit besonders empfehlenswert: Les Lanes, Alaric sowie der Einzellagenwein Pièce de Roche aus 100% Carignan.

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