Nachruf Alain Guillard von Peter Riegel
Ende Januar ist Alain Guillard viel zu früh gestorben. Neben Klaus Schopf war er mein bester Freund in Südfrankreich und ein Mensch, den ich immer sehr gemocht und geschätzt habe. Einige Mitarbeiter werden ihn noch aus den frühen Zeiten unseres Weinhandels kennen.
Mitte/Ende der 80er Jahre fingen wir in Espasingen an, Weine aus Südfrankreich zu importieren. Wir waren Teil eines Netzwerks mit in besten Zeiten rund 200 Verkaufsstellen. Einige größere Betriebe haben Sammelbestellungen koordiniert. Wir waren anfangs einer der sogenannten Mitbesteller, wenn der Wein dann ankam, fuhr ich zur nächsten Abladestelle, die war in Augsburg oder in Stuttgart. Bald waren die Mengen so groß, dass wir eine eigene Abladestelle wurden. Just da wechselte der französische Spediteur. Der Neue war Alain Guillard, der besaß zwei LKW’s und entweder kam er selber oder sein einziger Angestellter Gilbert. Da wir keinen Gabelstapler hatten, luden wir den Wein von Hand ab und schafften ihn mit Freunden per Menschenkette in unsere Scheune. Alain war der Mann oben auf dem LKW, der Kiste für Kiste herunterreichte. Ohne Murren, immer freundlich. Florian saß dabei anfangs noch in der Kraxe auf dem Rücken, Felix wollte früh helfen und tat es auch. Als die Ablademenge regelmäßig 15 oder 17 Paletten erreicht hatte, schafften wir den ersten Stapler an, wegen des eigentlich ungeeigneten Geländes mit Dieselmotor und 4 großen Rädern. Wenn er (im Winter) mal wieder nicht ansprang, Alain brachte ihn zum Laufen. Nach dem Abladen wurde meist gekocht, gegessen, in Maßen getrunken. Dann schlief Alain im LKW vor dem Haus und irgendwann frühmorgens wachten wir auf, als der Motor startete.
Er hatte manchmal noch eine weitere Abladestelle, dann lud er Fracht Richtung Belgien oder Heimat. Seine Woche begann in der Nacht von Sonntag auf Montag, Freitag oder oft auch erst Samstag kam er nach Hause. Am Wochenende baute er zuerst an seinem eigenen Haus, später renovierte er Ruinen in der Gegend von Montpellier gemeinsam mit seiner Frau Fernande und schuf so nebenher seine Altersversorgung.
Wenn uns die damals übliche Mischung aus Urlaubs- und Winzerreise in die Gegend führte, waren wir immer willkommen. Unsere Kinder haben dort wahrscheinlich den ersten privaten Swimmingpool ihres Lebens gesehen, es wurde Boules gespielt, gegrillt, Alains neues Motorrad ausprobiert. Später habe ich oft bei Alain und Fernande übernachtet, wenn ich auf Geschäftsreise im Languedoc war.
Mit 43 Jahren verkaufte Alain seine Firma, dann kam er noch ab und zu als Urlaubsvertretung im LKW. Er begann intensiv zu reisen und entwickelte große Leidenschaft für Afrika und die Wüsten im Norden. Wochenlang fuhr er mit Fernande auf eigene Faust durch Libyen, Algerien, Mauretanien, Marokko, in Gegenden, in die sich sonst niemand traute. Oft nahm er Freunde mit, die solche Reisen alleine nie gewagt hätten. Später reisten die Zwei um ganz Afrika (auch zu Stellar) und Amerika, zuletzt von Montpellier in die Mongolei und wieder zurück. Wir besuchten uns weiterhin regelmäßig und als wir 1997 unser Haus in Agde kauften, bot Alain spontan an, es für uns zu renovieren. Drei Monate harte Arbeit. Unentgeltlich. Dafür verbrachte er ab und zu ein paar Tage mit seiner Familie dort oder wir trafen uns zum Fisch essen auf der Terrasse. Auch in den Pioniertagen von Mas des Quernes war Alain eine große Hilfe. Er überließ uns seinen kleinen LKW für den Traubentransport oder fuhr ihn selber, und er organisierte im Freundeskreis unsere Erntehelfer. Wenn es an etwas fehlte, Alain hat es organisiert, und sein Rat war immer wohltuend pragmatisch, lebensklug und hilfreich. Letzten Herbst haben wir uns bei Chapelle St. Pierre zum Picknick getroffen, im Sommer hatten wir zusammen Boules gespielt und gegrillt. Im Dezember und Januar haben wir lange telefoniert, u.a. weil Alain ein neues Projekt hatte, eine Crêperie in Cap d’Agde, nicht weit von unserem Haus. Wir haben über Island gesprochen und wollten uns dort im Sommer treffen und gemeinsam mit Allradautos durch die wilde Natur fahren.
Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wieder nach Südfrankreich zu kommen, und Alain ist nicht da. Er wird uns sehr fehlen.
Peter Riegel im Februar 2022