Pestizid-Kritikerin vor Gericht

Umweltaktivistin zu über 125.000€ verurteilt

Valérie Murat gründete die Vereinigung "Alerte aux toxiques" nachdem ihr Vater an Lungenkrebs gestorben war. Der Tod des Winzers wurde von der französischen landwirtschaftlichen Sozialversicherung als Berufskrankheit anerkannt, da die Lungenschäden auch auf die Pestizide zurückgeführt werden können. Die Mitglieder der Bürgerinitiative möchte die Öffentlichkeit auf die Gefahren von Giftstoffen in der Landwirtschaft und insbesondere im Weinbau aufmerksam machen und nachweisen, dass Anwohner der Weinberge ständig dieser Gefahr ausgesetzt sind. Selbst in der 60 Kilometer entfernten Stadt Bordeaux wurden Rückständige der Pestizide aus den Weinbergen nachgewiesen.

Die Anti-Pestizid-Aktivistin fand Pestizidrückstände in 22 Weinen, die mit dem Label "Haute Valeur Environmentale" für umweltfreundlichen Weinanbau gekennzeichnet sind. Bei Untersuchungen der Proben wurden bis zu 15 Wirkstoffe pro Flasche entdeckt, von denen einige eine krebserregende oder genverändernde Wirkung haben und somit als sehr gefährlich gelten. Diese Ergebnisse sollten ein Anstoß sein über die Nutzung von Pestiziden und deren Auswirkungen auf Umwelt und die menschliche Gesundheit und mögliche Alternativen nachzudenken.

Mein Verbrechen? Ich habe die Menschen über den hohen Pestizideinsatz im Anbau der Bordeaux-Weine aufgeklärt. Das wäre ein guter Anlass für die Branche gewesen, die offene Debatte über die Zukunft des Weinbaus zu suchen. Doch anstatt sich mit meiner Kritik inhaltlich zu befassen, zerrt mich der CIVB lieber vor Gericht. Doch ich lasse mich nicht mundtot machen und freue mich darüber, dass die Zivilgesellschaft hinter mir steht und sich mit mir gegen diesen eklatanten Angriff auf die Meinungsfreiheit wehrt.

Valérie Murat

Für die Veröffentlichung der Messwerte im September 2020 wird die ehrenamtliche Aktivistin vom CIVB (Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux) und rund 30 weiteren Klägern wegen "kollektiver Verunglimpfung" vor Gericht gebracht. Nach Bekanntwerden der sogenannten "SLAPP"-Klage (Strategic Lawsuit Against Public Participation) solidarisierten sich europaweit 43 Organisationen mit Valérie Murat, darunter auch das Umweltinstitut München, das derzeit selbst in Bozen vor Gericht steht. Agrarreferent Karl Bär kritisierte den hohen Pestizideinsatz in Apfelplantagen Südtirols und wird dafür vom Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft und über 1300 Obstbauern verklagt.

Ein Blick nach Südtirol sollte dem Branchenverband der Bordeaux-Weine zeigen, dass seine Strategie, unerwünschte Kritik durch Klagen zu unterdrücken, genau das Gegenteil bewirken wird. Denn aufgrund des dortigen Prozesses gegen das Umweltinstitut wissen nun mehr Menschen als je zuvor, dass Südtirol ein Pestizidproblem hat.

Karl Bär über die Klage des CIVB.

Mit SLAPP-Klagen versuchen Regierungen, Verbände und große Unternehmen, Kritiker einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen - auch wenn die Äußerung von Kritik als Teil der Meinungsfreiheit ein fundamentaler Bestandteil der Demokratie ist. Auch deshalb erfahren Valérie Murat und Ihre Mitstreiter starke Unterstützung durch so viele Organisationen und Tausende private Unterstützer.

Am 25. Februar wurde die Angeklagte wegen Rufschädigung zu über 125.000€ Schadensersatz an den CIVB, den Weinhandelsverband und andere Kläger der Weinwelt verurteilt. Der Verein muss zudem binnen 15 Tagen die fraglichen Dokumente zu den Pestizid-Untersuchungen aus den sozialen Medien löschen.

Valérie Murat wird gegen dieses Urteil in Berufung gehen.

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