Vorpremiere VDP.Großes Gewächs 2023

Wie jedes Jahr fand am letzten Wochenende im August ein Highlight des Weinjahres statt: die (Vor-)Verkostung der Großen Gewächse der VDP-Winzer in Wiesbaden. In einem vergleichsweise kleinen Kreis und in angenehm ruhiger Atmosphäre verkosteten Weinimporteure, Weinhändler und Journalisten die Grand Crus aus Deutschlands besten Weinbergslagen, bevor diese in den kommenden Wochen (je nach Winzer auch Monaten) auf den Markt kommen.

Naturgemäß nehmen die Rieslinge den meisten Platz auf der mit gut 450 Gewächsen umfangreichen Verkostungsliste ein. Hier wurden neben dem aktuellen Jahrgang 2022 auch noch viele erst jetzt veröffentlichte 2021er Weine präsentiert. Zwei Jahrgänge, die gegensätzlicher kaum sein können, bzw. positiv betrachtet, gemeinsam verkostet ein unglaublich breites Spektrum ein und derselben Rebsorte abbilden. Zwei für die Winzer extrem herausfordernde Jahrgänge. 2021 nach kühlem Frühjahr mit spätem Austrieb eher schlank, sehr säurebetont. 2022 warm mit einer Tendenz zu üppigen und eher säurearmen Weinen. Ich habe mich bei der Verkostung auf die Weine aus biologischem Weinbau konzentriert, bei lagengleichen Weinen aber gerne Vergleiche zu den konventionell erzeugten Weinen gezogen. Mein Eindruck: besonders den Winzern, die biodynamisch arbeiten, sind in beiden Jahrgängen zwar deutlich unterschiedliche aber tendenziell besonders ausgewogene Weine gelungen. Wobei sicher schwer zu sagen ist, welchen Einfluss Anbaumethode bzw. das handwerkliche Können, die Intuition und die Sensibilität des Winzers für den jeweiligen Jahrgang haben.

Leider hat Clemens Busch seine Weine dieses Jahr (noch) nicht präsentiert. Nach den grandiosen 21ern bin ich sehr gespannt auf 2022. Alle anderen hier präsentierten Moselwinzer bauen leider nicht biologisch an.

Vom fränkischen Weingut am Stein haben mich Silvaner wie Riesling tief beeindruckt. Erstaunlich viel Stoff und Komplexität für 2021, im Paket mit herrlicher Säure für ein garantiert langes und noch abwechslungsreiches Leben.

Ähnlich erstaunlich der Lemberger vom Weingut Karl Haidle. Bei der Rebsorte und dem Jahrgangsverlauf hätte mich etwas Sprödheit und Härte nicht gewundert. Statt dessen herrliche Gewürzaromen, dichte Struktur und ein Tick angenehme Wärme.

Der Spätburgunder von Wöhrle bietet, zum Jahrgang 21 passend, einen etwas zurückhaltenderen Holzeinsatz als sein ziemlich mächtiger Vorgänger, seine kühle Fruchtigkeit wird schon jetzt einladend und animierend.

Die Rieslinge vom Weingut Peter Jakob Kühn zeigen, was ein sensibler Könner (Peter Bernhard) aus einem solchen Jahr machen kann. Fast zarte, feine, elegante Weine für alle echten Genießer, die auch die leiseren Töne zu schätzen wissen.

Ebenfalls etwas leisere Töne schlägt Christmanns Spätburgunder 2021 aus der Lage Idig an. Subtil, elegant, mit hintergründigem Charme und unwiderstehlicher Eleganz. Die 22er Rieslinge zeigen souveränen Umgang mit den Herausforderungen eines für Riesling arg warmen Jahrgangs. Keine Spur von Schwere, im Gegenteil eine einnehmende Unbeschwertheit und Klarheit, statt vordergründiger Fruchtigkeit ein interessanter Kräutermix und auch hier viel Eleganz.

Die Rieslinge der Nachbarn von Dr. Bürklin-Wolf verbindet fast durchgängig eine freundlich zurückhaltende, aktuell nur dezent duftige erste Begegnung. Am Gaumen dann in diesem jugendlichen Stadium unerwartet schöne Klarheit und eine schon fast explosive Steigerung zu einem beeindruckenden Weinerlebnis.

Viel Kraft strahlen die Weine von Philipp Wittmann aus. Beim raren Morstein erschrickt man fast bei so viel Power. Doch dann kommt eine ganz fein abgestimmte Säure und rückt den ersten Eindruck in Richtung Harmonie und Eleganz gerade. Alle Weine sind in diesem jungen Stadium zugänglicher als die Jahre zuvor, haben aber trotzdem noch etwas Zeit verdient und werden Geduld mit Sicherheit belohnen.

Ihr Peter Riegel

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