Meininger Award 2018 "Ehrenpreis der Jury"
Peter Riegel ist so ein Mensch, der uns überrascht, begeistert und mit seinem Lebensweg zeigt, wie offen und zugleich zufällig das Leben ist. Das man allerdings nur meistern wird, wenn man Mut und Zutrauen zu den eigenen Stärken und Fähigkeiten hat. Das trifft für Peter Riegel in hohem Maße zu. Er ist im besten Sinne, auch wenn er das Wort vermutlich gar nicht gerne hört, ein Selfmademan. Sein Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Wenn er heute in sentimentaler Anwandlung darüber nachdenkt, dann hätte aus ihm auch ein gefrusteter Oberstudienrat an irgendeinem Gymnasium in Baden-Württemberg werden können, der Generationen von Schülern mit Französisch und Geschichte traktiert hätte und würde misanthropisch den verpassten Chancen und dem im grauen Schulalltag verlorengegangenen Elan nachtrauern. Seien wir froh, dass die Geschichte anders gelaufen ist und wir einen mutigen Unternehmer und keinen verkniffenen Lehrer vor uns sehen.
"Ehrenpreis der Jury" für außergewöhnliche Leistungen
Vermutlich waren die Amerikaner und ihre Präsidenten in den sechziger und siebziger Jahren Schuld, die in Vietnam Krieg führten und in der westlichen Welt die 68er Generation als Gegenbewegung hervorbrachten. Es war seine Zeit. Statt sein Studium an der Universität Konstanz mit dem Staatsexamen zu Ende zu führen, begeisterte er sich für andere Dinge, wollte die Welt ein Stück besser machen. Er gehörte zur späten Generation der 68er, die, statt wie ihre Vorgänger in langen Diskussionen sich die Welt ideal zu reden und vor allem neue Formen sexueller Freiheit auszuprobieren, die Sache ernst nahmen und durch eigenes Handeln die Gesellschaft zum Besseren wenden wollten.
Mit anderen Studenten eröffnete er einen alternativen Laden in Konstanz am Bodensee, wo es Tee, Heilkräuter, Gewürze, Selbstgetöpfertes und Wolle gab. Er war der Wollemann, lernte Stricken und bot auf Anti-Atomkraft-Demos seine Produkte an. Dort fand er vor den Toren von Wackersdorf Kontakt zu Weinen aus Südfrankreich. Das war hochpolitisch. Er gehörte einem links orientierten Verein für deutsch-okzitanische Freundschaft an und unterstützte die im zentralisierten Frankreich eher unterdrückten Südfranzosen in ihrem Kampf um Autonomie, ein frühes Fair-Trade-Projekt, würde man heute sagen. Den Weinhandel hatte er als Vision vor Augen und begann schließlich als Fensterbauer Geld hinzuzuverdienen, damit er seine junge Familie und den Handel am Leben halten konnte.
Doch Peter Riegel glaubte an sich. Die Wolle hängte er an den Nagel. Wein galt ab jetzt seine Leidenschaft. Es war die Zeit als sich erste Winzer in Deutschland Gedanken um biologischen Weinbau machten. Von anderen als Spinner und Sektierer belächelt, fanden sie in alternativen Kreisen Anerkennung, denn das war politisch korrekt, grün und ökologisch. Die Idee brachte er nach Südfrankreich, die dort auf fruchtbaren Boden fiel. In Deutschland schossen alternative Lebensmittelläden wie Pilze aus dem Boden und das waren die idealen Partner für Riegels Bioweinhandel.
Ende der achtziger Jahre erfolgte die Gründung des Großhandels. Der Rest ist nicht weniger als eine Erfolgsgeschichte des Weinhandels, denn es folgte der beeindruckende Aufstieg und Aufbau des Unternehmens zum heute größten Bioweinhändler Deutschlands.
Das politische Engagement ist geblieben, auch wenn Peter Riegel heute manchmal nachdenklicher erscheint und er vermutlich etwas weiser zur Kenntnis nimmt, dass man die Welt nicht ändern können wird, aber seinen kleinen Beitrag leisten kann, sie etwas besser und erträglicher zu machen.
LAUDATIO VON DR. HERMANN PILZ, CHEFREDAKTEUR DER WEINWIRTSCHAFT